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23.4.2020, 16:42 - Archiv

Bulli in der Schweiz: Verkaufsstart heute vor 70 Jahren

  • Im April 1950 kam der erste Bulli in die Schweiz
  • In 70 Jahren wurden mehr als 265’000 Fahrzeuge der T-Reihe hierzulande verkauft
  • Der Bulli gilt als multifunktionales Werkzeug und Ikone der Transporter, Vans und kompakten Reisemobile
  • 70 Jahre T1 bis T6.1 – kein anderes geschlossenes Nutzfahrzeug wird seit einem derart langen Zeitraum gebaut

Cham / Hannover – Volkswagen Nutzfahrzeuge und die Schweiz: eine Erfolgsgeschichte. Der Transporter – alias Bulli, Kombi, VW Bus oder Microbus – ist das weltweit am längsten verkaufte Nutzfahrzeug. Im April vor 70 Jahren wurden als Typ 2 die ersten VW Transporter in die Schweiz geliefert. So hatte das zweite Volkswagen Modell seinen Verkaufsstart und der Erfolg sollte nahtlos an den des Käfers (Typ 1) anknüpfen. Bis heute folgten dem ersten Exemplar der Baureihe hierzulande über 265’000 weitere. Weltweit wurden bereits mehr als 13 Millionen T-Fahrzeuge verkauft. Längst sind die mittlerweile sechs Generationen Kult. Globetrotter reisen mit ihnen als Camper um die Welt. Unternehmen vertrauen seit Ewigkeiten auf den Transporter als Begleiter ihrer Mitarbeitenden und Waren. Und Familien fahren mit dem Bulli sicher durch den Alltag.

Schon die Anfänge sind legendär. Neben dem Käfer benötigt die aufstrebende Wirtschaft in Europa ein grösseres Fahrzeug. Die Ur-definition von Volkswagen für ein kompaktes Nutzfahrzeug mit maximaler Raumausnutzung: Boxermotor im Heck, Fahrer weit vorn und dazwischen sehr viel Platz. Das sind die Merkmale des T1 – der ersten Generation des Transporter den die Konstrukteure von Volkswagen entwickelten. Mit jeder weiteren Generation – vom T2 bis zum heutigen T6.1 – wurde das Konzept zu einem Multitool weiterentwickelt. Nichts an einem Bulli entstand jemals zufällig. Jedes Detail wurde präzise, alltagstauglich, nutzwertorientiert und stilvoll konstruiert. So entstand das Original seiner Klasse. Ein Transporter für Personen und Waren, ein Fahrzeugsystem für alle erdenklichen Aufbauten, ein Van für die Freizeit und das Business und als California der erfolgreichste Camper der Welt.

 

Der T1 – 1950 bis 1967

Am 11. November 1949 stellte Volkswagen den Medien einen von Hand gefertigten Transporter-Prototyp als Kastenwagen vor. Was noch fehlte, war ein Name. Bereits 1949 hatte Volkswagen unter anderem die Bezeichnung «Bully» als Wortmarke beim Patentamt schützen lassen wollen. Das Pech: Ein anderes Unternehmen hatte sich die Rechte schon früher gesichert. Gleichwohl bahnte sich die VW interne Bezeichnung Bully – schnell Bulli geschrieben – ihren Weg in die Öffentlichkeit. Der inoffizielle Name des Transporters war geboren. Mehr als ein halbes Jahrhundert verstrich jedoch, bevor Volkswagen Nutzfahrzeuge 2007 endlich die Patentrechte an der Wortmarke erwerben konnte. Nun durfte jedes Modell der Baureihe auch offiziell so bezeichneten werden, wie es die Fans seit jeher taten.

Die Geschichte des Bulli ist eine Reise durch die Zeit. 1950: Wir Menschen von heute haben keine oder kaum Erinnerungen, die 70 Jahre zurückreichen. Musik hilft hier, Brücken über Jahrzehnte zu spannen. Bing Crosby war vor 70 Jahren der musikalische Superstar; sein Song «White Christmas» ist bis heute einer der meistverkauften aller Zeiten. Volkswagen war damals erst ein Start-up. Das neueste Produkt: der Transporter. Motor und Getriebe stammten vom Käfer; die Karosserie samt verstärkter Bodengruppe wurde neu entwickelt. Maximale Zuladung: wirtschaftswundertaugliche 750 Kilogramm. Bepackt wurde der Wagen durch die Flügeltüren oder die später optionale Schiebetür auf der Beifahrerseite. Als geschlossener Kastenwagen, verglaster Kombi und achtsitziger Bus startet der T1 zuerst durch.

1951 folgte der legendärste aller Bulli: der «Kleinbus Sondermodell» – inoffiziell «Samba-Bus» genannt – mit Rundumverglasung, markanten Dachfenstern und Faltschiebedach. Ein weiteres Jahr später kam der Pritschenwagen auf den Markt, eine Art Pick-up der 50er-Jahre. Auf der Basis dieses Spektrums entstanden schnell diverse Sonderaufbauten. Westfalia steuerte die «Camping-Box» bei – ein Modul, das aus dem Transporter das erste kompakte Reisemobil machte. 1956 zog die Produktion nach Hannover in ein neues Werk um, damit die immer schneller steigende Nachfrage bedient werden konnte. Hergestellt wurde der Transporter ab 1957 auch in Brasilien. Bis 1967 der Nachfolger auf den Markt kam, hatten ihn knapp 1,9 Millionen Käufer mit der geteilten Frontscheibe («Split Window») und der markanten Nase zu einem Welterfolg gemacht.

In der Schweiz wurden von 1952* bis 1967 46’855 Fahrzeuge des T1 Modelles verkauft.

 

Der T2 – 1967 bis 1979

Wilde Zeiten, in denen nicht nur die Rockmusik erfunden wurde: Im August 1969 schrieben Musiker wie Jimi Hendrix, Joan Baez und Bob Dylan in Woodstock Geschichte und Pete Townshend von The Who die legendäre Rockoper «Tommy». 3 Days of Peace & Music, bei denen das berühmteste aller Bulli-Fotos entstand: vom Flower-Power T1 mit dem Paar auf dem Dach. Vielleicht hatte es damals begonnen, dass aus einem Fahrzeug eine Ikone und zudem ein Lebensgefühl wurde. In Hannover war zwei Jahre zuvor die Produktion der zweiten Generation des Transporters angelaufen. Ab jetzt erst machte es Sinn, als Differenzierung von T1 oder T2 zu sprechen.

Der T2 nahm den Nutzwert des T1 mit in eine neue Epoche. Auch er etablierte sich sofort als multifunktionales Werkzeug. Optisch zu erkennen war der T2 unter anderem an der neuen Frontpartie, nun ohne das typische V des T1, aber mit gewölbter Frontscheibe und dem Lufteinlassgitter darunter. Der T2 verfügte nun serienmässig über eine Schiebetür.

Als Camper von Westfalia mit Aufstelldach wurde er mehr denn je zum Globetrotter. Ab 1972 gab es ihn sogar als lokal emissionsfrei fahrenden VW Elektro-Transporter. Allein im Werk Hannover entstanden bis zur Ablösung durch den T3 im Jahre 1979 2,14 Millionen Exemplare. In Südamerika und Südafrika lief die Produktion noch lange weiter. Den Rekord für den längsten Produktionszeitraum hält definitiv das VW Werk in Sao Paolo: Die letzten 1200 Exemplare des T2 – die «56 Anos Kombi – Last Edition» – entstanden 2013 bei Volkswagen do Brasil.

In der Schweiz wurden von 1967 bis 1978 63’692 Fahrzeuge des T2 Modelles verkauft.

 

Der T3 – 1979 bis 1992

Ende der 70er-Jahre hatte sich die Welt wieder verändert. Erneut helfen Songs der Erinnerung auf die Sprünge: Dire Straits schickten die «Sultans Of Swing» mit kristallklarem Sound in die Autoradios; The Police brachte «Message In A Bottle» und Pink Floyd errichtete mit «The Wall» das erfolgreichste Doppelalbum der Welt.

Volkswagen begleitete diesen Soundtrack 1979 mit dem neuen T3. Konzeptionell knüpfte er an die Vorgänger an, transferierte die Idee dabei aber dank neuer und moderner Technologien in die Gegenwart. Signifikante Fortschritte erzielte Volkswagen im Bereich der passiven Sicherheit. Die breitere Karosserie bot bei unveränderter Länge und Höhe zudem deutlich mehr Fahrgast- und Laderaum; das jetzt einheitliche Flachmotor-Konzept trug ebenfalls dazu bei. Ab 1981 gab es erstmals auch einen Dieselmotor. Und das neue Fahrwerk bot nun personenwagenähnliche Fahreigenschaften.

1985 reichte Volkswagen zahlreiche weitere Innovationen nach. Die Benzinmotoren erhielten Katalysatoren, erste Dieselmotoren einen Turbolader. Vor allem aber bereicherten die allradangetriebenen Syncro-Modelle mit einer Visco-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse das Programm. Dank seiner idealen Raumausnutzung stellte der T3 eine noch bessere Basis für Reisemobilhersteller dar. Mehr noch: Ab 1988 gab es mit dem California erstmals einen Camper aus eigener VW Nutzfahrzeug-Produktion.

Als der letzte T3 im Werk Hannover Platz vom Band fuhr, waren 1,3 Millionen Exemplare verkauft, neue Versionen wie Caravelle und Multivan als Bestseller etabliert und Sondereditionen wie der Multivan White Star und Blue Star zu Ikonen geworden. In Südafrika wurde der T3 noch bis 2005 als Rechtslenker gefertigt. Die Gesamtzahl erhöhte sich damit auf über 1,4 Millionen.

In der Schweiz wurden von 1979 bis 1992 45’843 Fahrzeuge des T3 Modelles verkauft.

 

Der T4 – 1990 bis 2003

Jahre ist es her, dass Roxette «It Must Have Been Love» und UB40 «Kingston Town» sangen. Ebenfalls 1990 folgte mit dem Debüt des T4 eine technische Revolution: Nach 40 Jahren heckgetriebenem Bulli mit Boxermotor drehte Volkswagen Nutzfahrzeuge das Konzept um. Ab jetzt waren die neuen Reihen- und später auch VR-Motoren vorn angeordnet und trieben die Vorderachse an.

Mit dem Wechsel auf Frontantrieb änderte sich alles: das Design, das Fahrwerk, die Motoren und das Raumangebot. Vor allem im Heck, wo beim T3 noch der Boxermotor einiges an Volumen einnahm, stand nun deutlich mehr Platz zur Verfügung. Nur wenig davon beanspruchten die neue Schräglenkerhinterachse und der optionale Syncro-Allradantrieb. Das neue Antriebslayout und das neue Fahrwerk rückten das Fahrverhalten nochmals näher an das eines Personenwagens. Vorn wuchs der T4 in die Länge, um dort ausreichend Raum für die quer eingebauten Vier- und Fünfzylinder-Reihenmotoren und gute Crash-Eigenschaften zu schaffen.

Erstmals bot Volkswagen Nutzfahrzeuge den Transporter mit zwei unterschiedlichen Radständen an. Der Multivan nutzte den gewonnenen Platz im Innenraum ebenso gewinnbringend aus wie der neue California. 1995 war Volkswagen Nutzfahrzeuge indes zu einer eigenständigen Konzernmarke geworden und erfolgreicher denn je. Zum Modelljahr 1996 erfuhr der T4 eine umfassende Modellpflege. Besonders viel änderte sich unter der Motorhaube. Als erster TDI (Turbodiesel-Direkteinspritzer) in einem Transporter der Marke zog ein Fünfzylinder in den T4 ein. Der längere Vorbau der Personenwagen-Varianten erlaubte nun sogar die Installation eines VR6-Benziners. Als die vierte Generation 2003 auslief, waren 1,9 Millionen Kastenwagen, Kombi, Doppelkabinen, Pritschenwagen und Fahrgestelle mit Einzel- und Doppelkabinen, Caravelle, Multivan und California verkauft.

In der Schweiz wurden von 1990 bis 2003 34’725 Fahrzeuge des T4 Modelles verkauft.

 

Der T5 – 2003 bis 2015

Die 2000er sind fast noch Gegenwart. Ihre Musik auch. Neue Grössen prägten den Sound der Zeit. 50 Cent bringt «In Da Club» raus und Robby Williams stürmt mit «Feel» die Charts. Als Anfang 2003 die fünfte Bulli-Generation Fahrt aufnahm, knüpfte das Designkonzept an die Linie des Vorgängers an; durch seine breitere und klarer gezeichnete Karosserie wirkte der T5 jedoch deutlich kraftvoller. Gleichzeitig brachte er mit seiner neuen Ästhetik das Kunststück fertig, bei aller Zweckmässigkeit noch mehr Emotionen zu wecken.

Den Innenraum trimmten die Entwickler konsequent auf mehr Ergonomie. Was sich besonders am Arbeitsplatz des Fahrers bemerkbar machte, der sich durch ein in Neigung und Höhe verstellbares Lenkrad und die neue Joystick-Schaltung auf der Mittelkonsole auszeichnete. Ein Novum im Fond: Da der T5 Multivan in den meisten Versionen mit zwei Schiebetüren aufwartete, rückte der Tisch für die Fondpassagiere von der linken Seitenwand in die Fahrzeugmitte; auf einem Schienenpaar liess er sich je nach Bedarf positionieren.

Das Reisemobil California wird mit dem Wechsel auf die neue Basis nun erstmals komplett von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover produziert. Dabei werden die im Hauptwerk (Stadtteil Stöcken) hergestellten Basisfahrzeuge in eine eigens neu errichtete Fertigungsanlage (Stadtteil Limmer) gebracht. Dort erfolgt der komplette Ausbau zum Reisemobil.

Bei den Personenwagen-Versionen führten Caravelle, Multivan und California drei extrem erfolgreiche Modellbezeichnungen fort. Den Vortrieb übernahmen zum Debüt vier neue Pumpe-Düse-Turbodiesel sowie zwei Benzinaggregate. Bei den Ottomotoren reichte das Spektrum vom Vierzylinder bis zu einem V6-Kraftwerk. Komplett neu entwickelt wurde der 4MOTION-Allradantrieb mit einer stufenlosen und elektrisch geregelten Lamellen-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse. Neben den Standardversionen gab es immer wieder Sondermodelle: etwa der California NoLimit, der Multivan PanAmericana oder der Multivan Biker. Im Oktober 2010 feierte Volkswagen mit der Edition 25 das 25-jährige Jubiläum des Multivan. Bis 2015 fuhren rund 1,65 Millionen T5 in Hannover vom Band.

In der Schweiz wurden von 2003 bis 2015 41’385 Fahrzeuge des T5 Modelles verkauft.

 

Der T6 und T6.1 – 2015 bis heute

Als konsequente Evolutionsstufe seines Vorgängers fuhr 2015 der T6 auf die automobile Bühne. Neue Motoren, noch intelligentere Assistenzsysteme und ein neues Infotainmentprogramm kennzeichneten den neuen Bulli. Äusserlich war der T6 an seiner neu gestalteten Frontpartie zu erkennen. Eine neue Eigenständigkeit kennzeichnete auch die Heckansicht. Neue Zweifarblackierungen weckten bei aller Innovationskraft sympathische Erinnerungen an die erste Bulli-Generation. Eine der wichtigsten Neuerungen steckte unter der Fronthaube: Vier neue TDI und zwei TSI mit Start-Stopp-System umfasste das Aggregateprogramm.

Selbst der T6 liess sich noch perfektionieren, wie das im Herbst 2019 vorgestellte Update T6.1 zeigt. Volkswagen Nutzfahrzeuge transferierte das weiterentwickelte Kultmodell in die Epoche der Digitalisierung. So wird die neue Instrumententafel des Bulli 6.1 erstmals mit volldigitalen Instrumenten angeboten: dem «Digital Cockpit». Per eSIM sind die Infotainmentsysteme interaktiv vernetzt und bieten online-basierte Funktionen und Dienstleistungen bis hin zum digitalen Flottenmanagement. Eine neue elektromechanische Servolenkung hat zudem den Weg frei gemacht für teilautomatisierte Fahrfunktionen. Für Vortrieb sorgen ebenso effiziente wie saubere Turbodiesel (TDI). Und so nimmt der Bulli weiter Fahrt auf, um die nächsten 70 Jahre zu durchqueren. Ideen, wie die Zukunft für das am längsten gebaute Nutzfahrzeug der Welt aussehen könnte, gibt es mehr als genug. Fakt ist schon heute: Die kommenden Jahre werden für den Bulli spannender und faszinierender als jemals zuvor.

Seit 2015 wurden bis Ende März 2020 von den T6 und T6.1 Modellen 33’154 Fahrzeuge in der Schweiz verkauft.

Auch für Volkswagen Nutzfahrzeuge ist die Zukunft elektrisch: Die Vorbereitung auf die Fertigung des ID. BUZZ läuft in Hannover bereits mit Hochspannung. Der Elektro-Bulli wird ab 2022 an dem Standort produziert, der als Kompetenzzentrum für elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge auch künftig beim Volkswagen Konzern wichtige Zukunftsthemen besetzt.

*Die Verkaufszahlen des T1 Modells in den Jahre 1950 und 1951 wurden nicht dokumentiert.

 

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